Den Begriff der Autophagie habt ihr bestimmt schon das ein oder andere mal gehört. Häufig fällt er in Zusammenhang mit der Ernährung oder mit dem (intermittierenden) Fasten. Was genau sich hinter diesem Begriff versteckt, was er für den Körper bedeutet und wie man dahin kommt, werde ich in diesem Post darstellen. Natürlich durch wissenschaftliche Literatur, Studien und Erkenntnisse gestützt.

Disclaimer:
*Ich bin weder Ernährungstherapeutin noch Ärztin. Meine Artikel schreibe ich stets nach sorgfältiger Recherche von wissenschaftlicher Literatur (Publikationen und Studien) und nach bestem Wissen und Gewissen. Da ich einen naturwissenschaftlichen Masterabschluss habe und mich im Thema Ernährung, Umwelt und Stoffwechsel weitergebildet habe, kann ich einen gewissen Grad an wissenschaftlichen Daten lesen und verstehen und möchte mit meinen Artikeln lediglich Informationen bereitstellen, die anderen bei ihren Entscheidungsfindungen ggf. unterstützen kann. Bitte sprecht medizinische Entscheidungen immer mit Fachpersonal ab!
Weiterhin möchte ich mit meinen Artikeln stets alle Menschen ansprechen, unabhängig von Geschlecht, Kultur, Sexualität, Gesundheit, Religion oder Wissensstand. Ich erlerne aktuell das Schreiben von neutralen Texten, jedoch gelingt es mir nicht immer. Das Gendersternchen möchte ich dabei nicht nutzen. Ich bitte um Verständnis.
Vielen Dank!
Einleitung
Die Autophagie ist ein bemerkenswerter molekularer Prozess, der die Gesundheit und das Überleben der Zellen sichert. Abgeleitet von den griechischen Wörtern “auto” (selbst) und “phagy” (fressen) ist Autophagie ein evolutionär konservierter Prozess, der den Abbau und das Recycling von Zellbestandteilen durch die „Selbstverdauung“ erleichtert. Dieser Mechanismus spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase (Gleichgewicht), der Anpassung an sich verändernde Umgebungen und der Förderung der allgemeinen Gesundheit des Organismus. Durch die gezielte Beseitigung beschädigter Organellen, fehlgefalteter Proteine und unerwünschter Zelltrümmer fungiert die Autophagie als zellulärer Hausmeister, der die Ansammlung toxischer Substanzen verhindert.
In diesem Artikel gehe ich auf die Vorteile der Autophagie ein, erläutere kurz ihre molekularen Mechanismen, untersuche ihre Rolle in verschiedenen Geweben und Zellen und beleuchte ihre Bedeutung bei Krankheiten wie Krebs oder neurodegenerativen Störungen.
Molekulare Mechanismen der Autophagie
Die Autophagie umfasst eine komplexe Reihe von molekularen Ereignissen, die von einer Reihe von Autophagie-bezogenen Genen (ATGs) koordiniert werden. Der Prozess kann grob in drei Phasen unterteilt werden: Initiierung, Elongation und Reifung/Abbau [1].
Während der Initiierungsphase erkennt ein Schlüsselakteur namens mammalian target of rapamycin (mTOR) den Nährstoff- und Energiestatus der Zelle. Wenn Nährstoffe im Überfluss vorhanden sind, unterdrückt mTOR die Autophagie. Unter nährstoffarmen Bedingungen wird mTOR jedoch gehemmt, wodurch die Autophagie in Gang gesetzt wird. Ein weiterer Komplex (ULK1-Proteinkomplex) wird dann aktiviert, wodurch der Aufbau der Autophagie-Maschinerie eingeleitet wird.
In der Elongationsphase bildet sich eine Doppelmembranstruktur. Diese fängt an, überschüssige Teile zur verschlingen und umschließt das Material. So entsteht quasi eine Art Transportblase um den Zellmüll, das Autophagosom. Dieser Schritt beinhaltet die Konjugation von LC3 (microtubule-associated protein 1A/1B-light chain 3) an Phosphatidylethanolamin, was zur Rekrutierung der Autophagie-Fracht im Autophagosom führt.
In der Reifephase/Abbauphase verschmilzt das Autophagosom dann mit einem Lysosom (eine andere Transportblase) und bildet ein Autolysosom. Ein Lysosom enthält eine saure Lösung mit verschiedenen hydrolytischen Enzymen, mit denen es den Inhalt abbauen und das Recycling von Aminosäuren, Nukleotiden und Fettsäuren, den Bestandteilen von Proteinen, DNA und Fetten, zurück ins Zytoplasma zur Wiederverwendung durch die Zelle ermöglicht.
So können Zelltrümmer und Zellmüll wieder in ihre Einzelteile zersetzt und weiterverwendet werden. Man kann es sich so vorstellen, als würde man einen Legokran wieder komplett in seine einzelnen Teile auseinander bauen, um andere Teile neu zusammen zu stecken.

Vorteile der Autophagie
Recycling ist immer gut, so auch für den Körper. Die Autophagie bietet eine Fülle von Vorteilen, die zur allgemeinen Gesundheit und Funktionalität der Zellen beitragen. Erstens ist sie ein wichtiger Mechanismus zur Aufrechterhaltung des zellulären Energiegleichgewichts. Durch den selektiven Abbau von Zellbestandteilen stellt die Autophagie in Zeiten von Nährstoffmangel oder metabolischem Stress eine weitere Nährstoffquelle zur Verfügung. Diese adaptive Reaktion hilft den Zellen unter schwierigen Bedingungen zu überleben, wie z. B. beim Fasten oder bei der Exposition gegenüber Toxinen, die zeitweise die Nährstoffaufnahme behindern können. Beim intermittierenden Fasten ist es beispielsweise auch einer der Hauptziele die Autophagie zu aktivieren.
Darüber hinaus spielt die Autophagie eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der zellulären Qualitätskontrolle. Sie entfernt selektiv beschädigte oder dysfunktionale Organellen wie Mitochondrien, Peroxisomen und das endoplasmatische Retikulum durch einen Prozess, der Mitophagie, Pexophagie bzw. ER-Phagie genannt wird. Dieser Prozess verhindert die Anhäufung toxischer Substanzen und gewährleistet die allgemeine Integrität der zellulären Strukturen.
Die Autophagie ist ebenso beteiligt bei der zellulären Entwicklung, Differenzierung und Immunreaktion. Sie erleichtert die Beseitigung unnötiger oder überflüssiger Zellbestandteile während der Entwicklung und hilft beim Aufbau von Geweben und Organen. Die Autophagie ist auch an der Antigenpräsentation beteiligt, einem Schlüsselprozess im Immunsystem, bei dem sie den Abbau und die Präsentation von intrazellulären Krankheitserregern vor Immunzellen unterstützt [2].
Die Rolle der Autophagie in verschiedenen Geweben und Zellen
Die Autophagie spielt in verschiedenen Geweben und Zelltypen des Körpers unterschiedliche Rollen. In der Leber trägt die Autophagie zur Aufrechterhaltung der metabolischen Homöostase bei, indem sie die Ansammlung von Fetttröpfchen verhindert und vor Lebererkrankungen schützt. In den Muskelzellen ist die Autophagie entscheidend für den Proteinumsatz, den Zellumbau und die Erhaltung der Muskelmasse. Im Herzen hilft die Autophagie bei der Beseitigung beschädigter Organellen und Proteine und schützt so vor Herzhypertrophie und Herzversagen.
Auch in neuronalen Zellen spielt die Autophagie eine wichtige Rolle. Im Gehirn hilft sie bei der Beseitigung von fehlgefalteten Proteinen, Aggregaten und beschädigten Mitochondrien und schützt so vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Huntington. Eine Fehlfunktion der Autophagie in Nervenzellen wird mit dem Fortschreiten dieser verheerenden Krankheiten in Verbindung gebracht, ist aber bisher noch nicht eindeutig darauf zurückzuführen.
Autophagie im Krankheitsfall
In einigen Fällen wirkt die Autophagie als Tumorsuppressor-Mechanismus, indem sie geschädigte Zellen beseitigt oder die Anhäufung von onkogenen Proteinen verhindert. In etablierten Tumoren kann die Autophagie jedoch das Überleben des Tumors fördern, indem sie bei Nährstoffstress Nährstoffe bereitstellt oder die Resistenz gegen Chemotherapie vermittelt. Die Doppelrolle der Autophagie bei Krebs verdeutlicht ihr komplexes Zusammenspiel mit der Krankheit und den Bedarf an weiterer Forschung zur Entwicklung therapeutischer Strategien [3][4].
Darüber hinaus wurde eine gestörte Autophagie bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen festgestellt. Die Anhäufung fehlgefalteter Proteine und gestörte Abbauprozesse stören die zelluläre Homöostase und führen zu neuronaler Dysfunktion und Degeneration. Die Verbesserung des Autophagie-Flusses ist ein aktives Forschungsgebiet für potenzielle neuroprotektive Interventionen [5].
Wie gelangt man in den Autophagie-Modus?
Autophagie kann beispielsweise durch längeres kontrolliertes Fasten angeregt werden, da erst im leichten Kaloriendefizit die Selbstreinigung bzw. das Recycling anspringt. Auch intensive Trainingsreize können die Autophagie in Gang setzen. Wer im Fastenzyklus trainiert, sorgt für den besten Reiz, die Autophagie zu aktivieren [6]. Wie jede Trainings- und Ernährungsumstellung sollte dies jedoch mit einer medizinischen Fachperson abgeklärt werden. Gerade für Menschen, die Vorerkrankungen haben, kann dies ein Risiko darstellen.
Zusammenfassung
Die Autophagie, das zelluläre Recyclingsystem, spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase, der Anpassung an Stress und der allgemeinen Gesundheit des Organismus. Zu ihren Vorteilen gehören Energiebilanz, Qualitätskontrolle, Zellentwicklung, Differenzierung und Immunreaktionen. Auf molekularer Ebene umfasst die Autophagie die Phasen der Initiierung, der Verlängerung und des Abbaus, die durch eine Reihe von Autophagie-bezogenen Genen reguliert werden. Die Aufgaben der Autophagie sind vielfältig und erstrecken sich auf verschiedene Gewebe und Zelltypen. Eine Dysregulierung der Autophagie wird mit Krankheiten wie Krebs und neurodegenerativen Störungen in Verbindung gebracht, was die Notwendigkeit weiterer Forschung zur Nutzung ihres therapeutischen Potenzials unterstreicht. Es gibt noch viele offene und wichtige Fragen, die es in Bezug auf die Autophagie als Therapiemittel zu klären gilt [7].
Die Autophagie kann eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Krankheiten sein und die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützen. Jedoch besteht hier noch viel Forschungsbedarf und die Durchführung von Ernährungs- und Trainingsplänen sollte stets unter Beobachtung von medizinischem Personal erfolgen.
Bleibt gesund und sicher,
Bavai
Literatur
- Galluzzi, L., et al. (2017). Molecular definitions of autophagy and related processes. EMBO Journal, 36(13), 1811-1836.
- Mizushima, N., & Komatsu, M. (2011). Autophagy: renovation of cells and tissues. Cell, 147(4), 728-741.
- Levine, B., & Kroemer, G. (2019). Biological functions of autophagy genes: a disease perspective. Cell, 176(1-2), 11-42.
- Klionsky, D. J., Abdel-Aziz, A. K., Abdelfatah, S., Abdellatif, M., Abdoli, A., Abel, S., … & Bartek, J. (2021). Guidelines for the use and interpretation of assays for monitoring autophagy. autophagy, 17(1), 1-382.
- Zhang, Z., Yang, X., Song, Y. Q., & Tu, J. (2021). Autophagy in Alzheimer’s disease pathogenesis: Therapeutic potential and future perspectives. Ageing research reviews, 72, 101464.
- Schwalm, C., Jamart, C., Benoit, N., Naslain, D., Prémont, C., Prévet, J., … & Francaux, M. (2015). Activation of autophagy in human skeletal muscle is dependent on exercise intensity and AMPK activation. The FASEB journal, 29(8), 3515-3526.
- Yang, Y., & Klionsky, D. J. (2020). Autophagy and disease: unanswered questions. Cell Death & Differentiation, 27(3), 858-871.