Auf Social-Media tummeln sich Bilder von palmenbedeckten Stränden, weiten Reisfeldern und abenteuerlichen Dschungeltouren. Für viele ist das Reisen in exotische und ferne Länder das absolut höchste Urlaubsziel und je mehr jemand rumreist, desto besser.
Dabei hat gerade das Fernreisen eine unglaublich schlechte Klimabilanz und zerstört teilweise Natur und Kultur durch Overtourismus, ignorantes Verhalten und Vermüllung schneller, als man glauben möchte. Ausgerechnet das eigene Zuhause, liegt es nun in Deutschland, Österreich, Spanien oder Norwegen, hat so unglaublich viel zu bieten und hat Vorteile für Geldbeutel, die Wirtschaft, das Klima und sogar die eigene mentale Gesundheit.

Hinweise vorab
Mit Zuhause meine ich den Ort, an dem man wohnt und ggf. schon “angekommen” ist. Das Zuhause kann sich ändern, z. B. wenn man für’s Studium, den Beruf oder die Partnerin umzieht. Die Heimat bleibt aus meiner Sicht der Ort, an dem der Großteil der “ursprünglichen” Familienzeit stattgefunden hat, also die Kindheit.
Ich hatte das Glück, meine Kindheit fast komplett im gleichen Ort erlebt haben zu dürfen. Für andere wird es vielleicht nicht so sein oder sie haben den Geburtsort nie verlassen und Heimat und Zuhause sind das gleiche.
In diesem Artikel geht es also einfach um den Ort, von wo aus man mit der Reise starten kann, nicht um den Besuch in die Heimat oder das Heimatland.
Außerdem möchte ich betonen, dass ich das Fernreisen mit diesem Artikel nicht schlecht reden möchte. Wer es sich leisten kann oder es ein wahrer innerer Traum ist, sowas zu machen, kann das gerne machen! Man muss ja auch ein bisschen was von der Welt sehen dürfen. 🙂 Jetzt aber los!
Mit dem Zuhause verbinden
Wie eingangs erwähnt gibt es Menschen, die öfter mal ihren Wohnort wechseln. So auch mein Mann und ich. Wer das kennt wird also verstehen wenn ich sage: Das Reisen in der näheren Umgebung bringt Verbundenheit zum Ort, der Landschaft und der Kultur, die vorher doch eher unbekannt waren.
Das Zuhausegefühl wird gestärkt, da man beim Reisen eigentlich automatisch mehr über die Geschichte der umliegenden Orte erfährt. Sei es durch offene (Freilicht-)Museen oder Schilder, die auf Wanderwegen stehen und etwas über die alte Industrie erzählen.
Man lernt gute (und weniger gute) Restaurants, Spielplätze und Wanderwege kennen. Man entdeckt Aktivitäten oder spezielle Sportarten (z. B. das Kanu-Polo, was ich vorher nicht kanntet!), die in dem Ort mehr gespielt werden, als in anderen.
Vielleicht erfährt man auch das Motto einer Region oder Ziele und Entwicklungspläne, die auch wichtig für die eigene Zukunft sein können (Erschließung neuer Wohngebiet, Renaturierungsprojekte, Klimatauglichkeit der Kommune…).
Auch regionenspezifische Feste, Musikfestivals, Theater oder Museen können dabei entdeckt werden. Wer seine Umgebung wie seine Westentasche kennt, fühlt sich doch gleich direkt zuhause, als wenn man ständig alles wieder googlen muss 😉

Nachhaltigkeit
Ganz klar ist es nachhaltiger, wenn man weniger fliegt oder kürzere Strecken fährt. Ich denke, da erzähle ich nun wirklich niemandem etwas neues. Das Flugzeug ist die klimaschädlichste Transportoption für Menschen. Dahinter kommt das Auto (als Alleinreisende Person), dann der ICE und anschließend der Fernbus.
Beim Auto ist es sehr abhängig von der Personananzahl und auch vom Alter und der Art des Autos. Eine gute Übersicht bietet die Studie von Buberger et al. Hier wurden verschiedene Modelle von Autos, Diesel, Benziner und E-Autos (jeweil mit Kohlestrom oder erneuerbaren Strom) gegenüber gestellt. [1]
Ein weiterer negativer Effekt beim Flugzeug ist die Menge an radioaktiver Strahlung, der man in der Flughöhe ausgesetz ist. Die “normale” durchschnittliche Strahlung, der man auf dem Boden ausgesetzt ist, liegt bei etwa 1 bis 10µSv. Ein Flug von Frankfurt nach San Francisco und zurück kann eine Belastung bis zu 110µSv (max.) darstellen [2]. Die Belastungen sind für gelegentliche Flüge nicht gesundheitsschädlich, jedoch ist weniger fliegen eben auch noch besser für die Gesundheit. Lediglich vielfliegende Schwangere, die transatlantische Flüge nehmen, sollten auf die Strahlenbelastung von max 1mSv achten.
Mit Bus oder Bahn kann man in Europa auch vom Zuhause aus gut und vieles entdecken. Mit dem Europa-Interrailticket kann man in ganz Europa reisen (günstig finde ich es aber ehrlich gesagt nicht und auch nicht flexibel) oder mittlerweile mit dem 49€ Ticket lässt es sich günstig und schnell innerhalb von Deutschland verreisen. Wer vom Land aus startet und sehr schlechte Verbindungen hat, kann natürlich auch mit dem Auto rausfahren und Anschluss finden oder eben mit dem Auto wo parken und erkunden. Am besten mit mehreren Personen im Wagen 😉
Ein weiterer Punkt zur Nachhaltigkeit ist der u. a. durch Social-Media verstärkte Overtourism, also der Massentourismus. Schwärme von Menschen reisen zu Orten, die Influencer besucht und geteilt haben. An einigen Orten entstehen dadurch Müllmassen, zerstörte Natur und Konflikte sowie Ruhestörungen für die Einheimischen und die Tiere vor Ort.
Auch Mietpreise können dadurch extrem steigen, denn viele Eigentümer vermieten ihre Wohnungen lieber als Air BnB weiter, statt an Anwohner, um mehr Geld zu machen. Das sind alles extreme Beispiele, die natürlich nicht durch einmaliges Posten eurer Urlaubsfotos passieren. Dennoch sind gerade die Strandregionen in Südasien, beliebte Städte Europas, Mallorca, Santorin und weitere Orte stark davon betroffen [3]. Ein trauriges Beispiel sind die knapp 8t Müll auf dem Mount Everest, die 2018 von einem chinesischen Forscherteam gesammelt wurden [4, 5].
Wer also unbekannteres Gebiet bereist, entdeckt nicht nur neues sondern entschärft den Massentourismus.

Die Wirtschaft der Umgebung unterstützen
Ganz klar, die Ortschaften deiner Umgebung profitieren auch wirtschaftlich von deinen Nahreisen. Wer seine “eigenen” Lokale, Hotels, Ferienwohnungen, Restaurants, Spielplätze usw. nutzt, steigert damit nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Lokale, sondern auch die der Kommune. Die eigene Umgebung wird finanziell stärker, kann mehr Projekte umsetzen und wird attraktiver für andere Personen.
So können Familienfreundlichkeit, Gesundheitssysteme, Attraktionen und Bildung in der eigenen Stadt gefördert werden, was sogar dir selbst zugutekommt.
Günstiger reisen
Flüge sind spottbillig, da kann ich nichts gegen sagen. Trotzdem ist das Reisen im eigenen Land meistens günstiger, als eine Fernreise. Wer mit den Öffis fährt/reist und nicht den Druck hat “Ich bin ja nur einmal hier”, gibt nicht so viel Geld auf einmal aus, nur weil er alle möglichen Aktivitäten ausprobierne muss. Oft können Orte in der Umgebung ja mehrmals besucht werden, als ein fernes Land.
Gesundheit
Das ist vielleicht ein Punkt, an dem sich die Geister am stärksten scheiden. Je nach eigenem Stresslevel und der eigenen Einstellung zum Reisen, trifft dieser Punkt vielleicht gar nicht auf die meisten Leute zu.
Ich persönlich finde mehrere Stunden im Flugzeug zu sitzen sehr anstrengend. Auch die Stunden vorher am Flughafen. Und die Anreise zu organisieren, wenn man mal nicht gefahren werden kann (da unsere Zugverbindungen vom Land echt bescheiden sind).
Wer damit zufrieden ist, nicht immer nur die “Instagram-Hotspots” zu besuchen (Thailand, Bali, USA…), sondern seine ganz persönlichen Reiseziele festlegt, ist weniger dem Druck unterlegen, sich die beste Hotelanlage raussuchen zu müssen, die teuerste Reise zu buchen oder Aktivitäten zu machen, die gut auf Social Media aussehen oder gut bei Freunden und Familie ankommen.
Die Zeit weg vom Alltag, Wandern, Schwimmen, was Trinken gehen, Feiern, Entspannen muss keine 12.000km weit weg stattfinden, sondern kann auch im eigenen Umkreis sehr gut sein.
Es gibt natürlich Leute, für die ist das Reisen selbst auch schon ein Highlight! Wer also fasziniert vom Fliegen ist und die engen SItze nichts ausmachen, für den beginnt der Urlaub natürlich auch schon früher, als bei mir 🙂
Ein weiterer Punkt, der wahrscheinlich nur auf die wenigsten zutrifft ist, dass der eigene Gesundheitszustand die Reichweite der Reise einschränken kann. Als potenzieller Transplantationspatient im Ausland zu erkranken ist einfach extrem risikoreich.
Wer also ein chronisches Leiden hat, muss seine Reise entsprechend anpassen oder wenigstens für “den” Notfall gewappnet sein. Wir waren leider schon mehrfach im Ausland im Krankenhaus und lasst euch gesagt sein, wenn euch niemand versteht und ihr eure Schmerzen über eine Übersetzungsapp vermitteln müsst, ist das kein schönes Erlebnis.
Und das war in Italien, einem Land, wo man irgendwie davon ausgeht, dass die Bevölkerung auch Englisch sprechen kann… Zum Glück hatten wir eine Auslandskrankenversicherung.
Eine Auslandsreisekrankenversicherung braucht übrigens jeder, nicht nur Kranke Personen oder Leute, die außerhalb Europas reisen! Welche Versicherungen es gibt, habe ich hier übersichtlich beschrieben.
Wir mussten tatsächlich auch schon mehrfach die Versicherung einsetzen.
Auch an die Krankheiten, die es im AUsland gibt, sind die Einheimischen besser gewöhnt, als Einreisende. Es kann von harmlosen Reisekrankheiten wie Durchfall und Erbrechen aber auch bis hin zu Parasitenbefall, wie Malaria oder Amöben, und gefährlichen Virusinfektionen, wie Dengue oder Gelbfieber, kommen (tropische Gebiete).
Man kann sich aktuell am besten nur durch gute Hygiene und Mückenschutz prophylaktisch schützen. Wer diese Krankheiten bekommt, erhöht auch das Risiko, diese bei Einreise einzuschleusen und andere Menschen anzustecken.
Außerdem: Fernreisen müssen sich lohnen. Seltenst fliegt jemand übers Wochenende nach China oder Marokko. Wer also ein solches Land bereist, nimmt sich viele Urlaubstage dafür. Wie wäre es denn mit vielen Kurzurlauben zwischendurch?
Wer öfters Pause machen kann, hat mehr Energie aufs Jahr gesehen. Kurzurlaube lassen sich natürlich am besten realisieren, wenn ihr aus einem Feiertagswochenende mit nur wenigen Urlaubstagen gleich eine ganze Woche im Umland verreisen könnt, ohne viel Zeit in den Reiseweg einplanen zu müssen.
“Nachteile”
Natürlich kann man auch hier Nachteile vorfinden. So ist man durch das lokale Reisen sehr an das Klima der Umgebung gebunden und erfährt womöglich nur wenig sommerliches, tropisches Wetter. Es ist auf jeden Fall ein spannendes Erlebnis, die Trockenheit der Wüste, den glasklaren Sternenhimmel der Berge oder die extrem hohe Luftfeuchte der Tropen auf der Haut zu fühlen.
Aber auch andere Sprachen, Kulturen, Geschichte, Bauwerke und ihre Menschen kennen zu lernen ist eine sehr inspirierende und schöne Erfahrung, die einem in jedem Fall bereichert und den eigenen Horizont erweitert. Ich habe auch schon bei der ein oder anderen Person erlebt, dass erst durch das Bereisen von anderen Ländern die Erkenntnis gewonnen wurde, dass es sich “lohnt” für den Planeten zu kämpfen. Wahrscheinlich wird man es im eigenen Land oder auch in den umliegenden Ländern in solch einer Intensität nicht unbedingt empfinden.
Zusammenfassung
Reisen ist toll. Ich verstehe sehr gut, wenn es einen in die Berge Nepals zieht, an die Strände von Ko Samui oder die weiten Highways US-Amerikas. Ich finde aber: Ganz klar hat jedes Land auf dieser Welt unglaublich viel zu bieten!
Und gerade deshalb muss nicht jeder Urlaub in die Ferne gehen. Durch das Entdecken des eigenen Landes und der Umgebung entsteht ein intensiveres Zuhause-Gefühl, man lernt die Geschichte der eigenen Region kennen und unterstützt die Wirtschaftlichkeit der eigenen Städte/des eigenen Landes. All das kommt einem selbst auf kurze und langfristige Weise zugute.
Ein weiterer Punkt ist, dass man entspannter reisen kann, wenn man nicht dem letzten Trend hinterher reisen muss. Dadurch verringert man die Zerstörung der Natur durch Overtourimus.
Dabei geht es gar nicht mal darum, nie wieder zu reisen. Und wir wissen, dass Touristenländer vom Tourismus leben und die Menschen diese Einnahmequelle brauchen. Es geht darum, sich darüber im Klaren zu werden, was das Reisen für einen selbst, die Natur und die Einheimischen bedeutet und ggf. sein Reiseverhalten ein klein wenig anzupassen. Wer alle 8 Jahre eine Fernreise macht: Bitte! Aber vielleicht muss es doch nicht jedes Jahr Bali sein 😉
Ich hoffe, euch hat dieser Beitrag ein bisschen zum Nachdenken gebracht und dass ihr Lust bekommen habt, eure Umgebung in eurem Zuhause mal wieder ein bisschen mehr zu erkunden!
Bleibt sicher und gesund
-Bavai
Literatur und Links
[1] Buberger, Johannes, et al. “Total CO2-equivalent life-cycle emissions from commercially available passenger cars.” Renewable and Sustainable Energy Reviews 159 (2022): 112158.
[2] Bundesamt für Strahlenschutz
[3] https://www.statista.com/topics/4316/overtourism-in-european-destinations/#topicOvervie
[4] https://www.travelbook.de/ziele/berge/probleme-muell-auf-dem-mount-everest
[5] https://www.livescience.com/63061-how-much-trash-mount-everest.html