Mein Mann und ich sind schon längere Zeit der Meinung, dass Nachhaltigkeit in den Alltag aller Menschen gehört. So auch in unseren. Lange Zeit haben wir möglichst unverpackt eingekauft, wo es ging (z. B. das Gemüse), Einmalprodukte aus unserem Haushalt verbraucht und nicht mehr wieder gekauft und sind, so oft es ging, mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren.
Zeiten ändern sich: Inflation, Umzug und neue Arbeitsstellen sowie der Wunsch, finanziell gut aufgestellt zu sein kamen im letzten und diesem Jahr dazu.
Gestern merkte ich beim Einkaufen auf einmal einen inneren “Kampf”: Die günstige Paprika im Dreierpack in der Plastikfolie kaufen oder einzelne, aber teurere Paprika kaufen? Bio-Gemüse aus Spanien oder konventionelles Gemüse aus der Region?
Wie geht man mit zwei verschiedenen Lebenseinstellungen um? Ich habe versucht, eine für uns akzeptable Lösung zu finden.
Das Leben ändert sich
Wir haben uns schon sehr früh in unserer Beziehung dazu entschieden, ein Haus zu kaufen. Da waren wir beide noch Studis und haben kaum Geld am Ende des Monats übrig gehabt. In unserer ersten gemeinsamen Wohnung gab es dann noch Probleme mit der Vermieterin.
Und in der nächsten auch. Das bestärkte unseren Wunsch nach Eigentum.
Doch mit der Zeit bildeten wir uns beide finanziell weiter, dank tollen Youtube-Kanälen und Finanzblogs (z. B. Finanztip und Finanzfluss).
Unsere älteren Geschwister kauften sich derweil verdammt teure Wohnung/Haus und “verschuldeten” sich bis zum Rentenalter. Mit Kindern, die aufgrund der hohen Kreditraten ganztags im jungen Alter (U3) abgegeben werden müssen, weil beide voll arbeiten gehen müssen (wollen).
Wir beide fanden das nicht schön. Also, absolut nicht. Jeder mag wohnen wie es ihm gefällt! Aber glücklich sieht irgendwie niemand so richtig aus. Die Immobilien sind wirklich schön! Vor allem aber: Gigantisch. Wer lebt denn heutzutage zu dritt oder viert auf über 200 qm? Und abends/nachmittags 2-3h mit den Kindern ist auch nicht wirklich viel Qualitytime drin neben dem Haushalt (aus unserer Sicht).
Wir haben plötzlich, mit unserem Jobwechseln in 2023/2024 und damit auch einem Wohnortwechsel 150km weiter eine andere Perspektive erhalten. Wir suchten uns bewusst eine 2-Zimmer Wohnung aus, obwohl beide im HomeOffice arbeiten können.
Wir haben das Glück, dieses Mal sehr gut mit den Vermietern und den Nachbarn klarzukommen und vor allem in einer gut gepflegten Immobilie zu wohnen (vorher: nasse Wände, kalter Boden, undichte Fenster, festgelegte Waschzeiten, trotz 1000€ Miete!).
Dieses Mal wohnen wir auf dem Land. Höfe um uns herum und ein kleiner Ortskern. Raus geht es 50m zum Wald oder Feld. Spielplätze sind nah, wenn die Neffen zu Besuch sind.
Irgendwie ein kleines Idyll, für uns. Vorher wohnten wir in der Stadt und das war auch super toll, überall ging es mit dem Fahrrad hin. Jetzt können wir jedoch auch mit dem Fahrrad einkaufen oder sogar in die nächst-größere “Stadt” (20k Einwohner).
Durch die kleinere Wohnung, sparen wir viel Geld: Günstigere Miete, günstigere Nebenkosten. Mein Mann fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Mich hat es durch die Ländlichkeit leider 40km weiter zur Arbeit verschlagen. Daran knabbere ich noch (wird hoffentlich mit dem regelmäßigen HomeOffice besser).
Auch Träume und Wünsche ändern sich
Durch unsere Finanzbildung wissen wir nun: Eigentum ist nicht das einzige, was “sicher” ist. Wir sind beide so aufgewachsen, weil unsere Eltern es so gelernt haben. Aber Vermögensaufbau geht auch anders.
Noch eine Sache, die uns aufgefallen ist: Die Leute wollen immer mehr, wohnen immer größer. Und wir haben uns irgendwann gefragt: Brauchen wir das? Also ich meine, wirklich “brauchen”? Oder anders gesagt, ist es die Mehrarbeit wert?
Durch unser Glück mit der Wohnung haben wir gemerkt: Nein. Man braucht kein Eigentum. Sollten wir uns vergößern, so kann man immer noch umziehen. Flexibel bleiben. Ändern wir unsere Jobs? Werden selbstständig? Kündigen ist da kein Problem. Ziehen wir für ein Jahr ins Ausland oder nimmt einer von uns ein Projekt im Ausland an?
Kein Eigentum bindet uns an einen Ort. Im Moment ist das ein sehr schöner Gedanke von uns und ich denke, wir können das auch nur machen, weil wir gelernt haben, unser Geld nicht auszugeben, sondern auch zu sparen.
Mit dem Eigentum ist es nämlich so, dass Leute dann “gezwungen” sind, das Geld jeden Monat für die Rate aufzuwenden. Wer keinen Kredit abzahlt, gibt das Geld häufig aus, zumindest in Deutschland.
Wenn man aber die gleiche Rate für’s Haus investieren kann, so sitzt man zu Rentenbeginn nicht “auf” dem Vermögen, sondern kann frei darüber verfügen. Falls man in Pflege muss. Wenn man reisen möchte. Wenn man früher mit dem Arbeiten aufhören möchte oder muss. Wenn Kinder Geld brauchen. Usw.
Deswegen haben wir uns vorerst dazu entschieden, unser Geld anzulegen, statt ein Häusle zu kaufen. Wir hätten uns sowieso ein älteres Haus gekauft, um es zu sanieren. Aber dennoch ist es die teuerste Entscheidung im Leben und dieses Geld ist uns “liquide” erst mal lieber.
Wir kommen aktuell auf eine Sparrate von etwa 60%.
So sind wir zur Erkenntnis gekommen, dass wir irgendwie “ausversehen” Frugalisten geworden sind.
Herausforderung im Alltag
Jetzt wollen wir gerne jeden Cent sparen. Aber wir möchten auch nachhaltiger leben. Wir essen kein Fleisch (nicht als Verbot – theoretisch würden wir uns was vom Hof kaufen, wenn wir wollen).
Wir achten auf eine nachhaltigere Lebensweise, wir fliegen nicht in den Urlaub, wir haben keine teuren und allzu “klimaschädlichen” Hobbies. Und das gefällt uns und ist soweit keine Einschränkung für uns.
Aber: Beim Einkaufen merke ich, wie ich zwischen “Frugalismus/Sparen” und “Nachhaltigkeit” hin und her switche.
Wie im Beispiel am Anfang mit den Paprikas, die erst mal schon kein regionales Produkt sind, struggle ich manchmal mit den beiden Lebensstilen. Mein Mann hat da nicht so den Zwang, der kauft alles, was günstig ist. Aber für mich, wo wir schon oft auf teurere Produkte wegen meiner Zöliakie zugreifen müssen, ist es schon eine kleine Herausforderung.
Das summiert sich ja auch im Laufe des Monats. Bis zu 10-15% mehr zahlen wir in etwa, wenn wir die Bio – und Unverpackten Sachen kaufen. Außerdem steht man zusätzlich länger in der Küche, wenn man die getrockneten Hülsenfrüchte kauft, statt die in Dosen/Gläsern.
Auch das viele Pendeln mit meinem Auto finde ich echt mies. Mit dem Zug/Bus komme ich allerdings auf knapp 2h. Arbeitsstelle schon wieder wechseln? So kurz nach dem Start keine gute Idee und gefallen tut es mir ja auch (Im Umweltbereich).
Was ich für mich und uns gelernt habe
Im Laufe des Lebens ändern sich viele Dinge. Auch Einstellungen. Und es ist ok, wenn man mal eine Zeit lang das eine priorisiert und das andere an zweiter Stelle steht.
Deswegen haben mein Mann und ich uns mal zusammen hingesetzt, in unsere Geldtabelle geschaut und “rausgearbeitet”, dass wir uns das teurere Essen leisten können und auch die glutenfreien Lebensmittel. Gesundheit ist eines der wichtigsten Dinge im Leben.
Wenn wir unsere “Rente” genießen wollen, müssen wir dort gesund ankommen. Und Fliegen ist weitaus schädlicher, als Gurken in Plastik zu kaufen. Wo Müll anfällt sorgen wir für eine ordentliche Trennung. Und wir machen schon einiges, was uns möglich ist.
Luft nach oben ist immer und wir arbeiten dran. Aber manchmal schafft man nicht alles. Gerade habe ich vor allem so gerade genug Energie dafür, meine Gesundheit wieder auf ein normales Level zu heben.
Das einmal deutlich auszusprechen, also dass ich meine Gesundheit priorisiere, dann die Nachhaltigkeit und dann der “Frugalismus”. Aufgeteilt auf verschiedene Bereiche des Lebens, macht es sogar ziemlich viel Spaß, mal so zu denken, mal so.
Tatsächlich geht es beim Frugalismus auch nicht unbedingt darum, jeden Cent zu sparen (das habe ich im Blog von Oliver, dem Frugalisten gelernt), sondern sich mit dem auseinander zu setzen, was man wirklich “braucht” und mal differenzierter zu betrachten, in welchen Bereichen im Leben man eher auf Qualität achtet und wo man darauf verzichten kann.
Ich denke, damit habe ich (vorerst) meinen Frieden gefunden. Vielleicht hilft es auch anderen, dass man verschiedene Lebensstile miteinander vereinbaren kann, vielleicht auch zwischen zwei verschiedenen Menschen und innerhalb einer (großen) Familie.
Manchmal muss man sich nochmal deutlich machen, was einen langfristig wohin bringt und wie viel man an anderer Stelle machen kann/könnte.
Bleibt sicher und gesund
Bavai