Wenn dir Zöliakie diagnostiziert wurde, dann musst du erst mal damit zurecht kommen. Dein Gastroenterologe wird dich wahrscheinlich zu einer Ernährungsberatung schicken, aber auch nicht viel mehr sagen, als “glutenfrei essen, bitte” (so war es bei mir).
Bis der Termin bei der Ernährungsberatung dann auch da ist, können Wochen vergehen. Und was macht man solange in dieser Zeit? Ein paar “Einstiegstipps” versuche ich dir hier zu geben und dich darauf vorzubereiten, auf was für Umstellungen (und Aussagen) du dich vorbereiten musst. Am Ende gibt’s auch einen steuerlichen “Geldspartipp”!
Auf der Seite der DZG (Deutsche Zöiakie Gesellschaft) gibt es auch ein paar “Alltagstipps”.
Erzähle deiner Familie und deinen engsten Freunden davon
Zunächst einmal ist diese Diagnose ein Schock. Vielleicht hast du es dir schon bei ein paar Symptomen gedacht, es dann aber bestätigt zu bekommen ist dennoch ein demotivierender Moment.
Hier hilft es, auf vertrauensvolle Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden. In meinem Fall waren es mein Partner und die ein oder anderen Freunde. Auf meine Familie kann ich mich da leider nicht verlassen, deswegen habe ich es erst erzählt, als es aufgrund von Familienessen sein musste.
Wohnst du noch mit anderen Menschen zusammen (WG, Familienhaushalt) ist es wichtig, diese einzuweihen. Denn eine gemeinsame Küche ist der “kontaminationsreichste” Ort im Alltag. Mehr zum Thema Kontamination gibt es später.
Sei gut zu dir selbst
Du hast die Diagnose gerade erst erhalten. Da kannst du noch gar nicht perfekt glutenfrei leben und es wird der ein oder andere “Gluten-Unfall” passieren. Wenn es dir schlecht geht, versuche dich auszuruhen. Manchmal fällt es einem echt schwer, sich krank zu melden oder Termine zu verschieben.
Auch bei Kinderbetreuung auf den Partner/die Partnerin auszuweichen fällt nicht leicht. Aber dafür sind Familie oder Freunde da.
Bis die Symptome verschwinden, können einige Wochen oder Monate vergehen. Das kommt drauf an, wann dir die Zöliakie diagnostiziert wurde, wie schlimm deine Symptome vorher waren und wie dein Mineralhaushalt aussieht. Ich hatte einen ziemlich schlimmen Eisenmangel und war lange Zeit arbeitsunfähig.
Sowas wie Bauchschmerzen, Durchfall oder Übelkeit sollten schon innerhalb weniger Tage bei glutenfreier Ernährung verschwinden. Laktose sollte man am Anfang vermeiden, sowas wie Käse, Quark oder Kefir sollte jedoch gehen.
“Ist da Gluten drin?”
Diese Frage wirst du dir oft stellen. Ich glaube selbst nach Jahren perfektioniertem glutenfreien Alltag wird es diese Momente geben. Aber man lernt mit dieser Sorge umzugehen. Gib dir die Zeit dafür. Nimm dir auch die Zeit zu recherchieren, was für Lebensmittel glutenhaltig sind. Ich wusste z. B. überhaupt nicht, dass Kamut einfach ein anderer Namen für eine Weizensorte ist.
Ich habe mir eine kleine Liste auf Papier geschrieben, die in meiner Handyhülle steckt. Eine Art Spickzettel, weil man sich nicht alles merken kann. Das kann ich dann schnell nachschauen, wenn mal wieder das Internet im Laden schlecht ist.
Es wird immer blöde Kommentare geben
Und leider nicht nur von Fremden. Es ist nunmal so, dass viele die Erkrkankung nicht kennen und mit einer freiwilligen glutenfreien Diät in Verbindung setzen.
In meiner Familie wird meine Erkrankung überhaupt nicht ernst genommen und ich musste mir schon anhören “Du bist aber kompliziert” zu meiner Bitte, den Schnittkäse mit einem sauberen Messer zu entnehmen. (Ist das so schwer?!). Oder ob ich denn wirklich so empfindlich darauf reagiere, wenn etwas Mehl auf meinen Teller kommen würde.
Dann gibt es aber z. B. die Familie meines Mannes, die so extrem aufmerksam sind, dass sie sogar für mich glutenfrei kochen, wenn wir mal zu Weihnachten dort essen. Sie stimmen alles mit mir ab, kaufen sich Schneidbretter neu und essen sogar einfach selbst glutenfei mit. Das gibt einem das Gefühl, dass man als Mensch mit all seinen unfreiwilligen Erkrankungen akzeptiert wird.
Es wird immer beide Arten vo Menschen in eurem Leben geben. Das gilt für alle Erkrankungen.
Gezwungenermaßen muss man mehr kochen
Eben eine Pizza nach Feierabend holen? Schnell noch eine Falafeltasche nach der anstrengenden Renovierung am Samstagabend? Das geht leider alles nicht mehr, ohne Ausnahme.
Du musst den (am besten neuen) Kochlöffel selbst schwingen. Denn selbst wenn die Gerichte an sich glutenfrei wären (wie z. B. eine einfache Gemüsepfanne oder ein Steak), so ist es die Küche in der die Gerichte zubereitet werden nicht. Es gibt kaum eine Möglichkeit schnell auswärts zu essen, es sei denn ihr wohnt in einer Großstadt mit einigen glutenfreien Restaurants.
Aber auch hier müsst ihr auf ein Siegel oder eine Zertifizierung achten, denn viele Restaurants schreiben, dass sie glutenfreie Gerichte haben, sind sich aber der hygienischen Maßnahmen in der Küche nicht bewusst. Hier muss man penetrant nachfragen, sich informieren und bei Unsicherheit ein anderes Restaurant wählen.
Ihr werdet also lernen müssen zu kochen, die richtigen Zutaten zu kaufen und Zutatenlisten zu lesen. Aber das macht viel Spaß, wenn man den Dreh erst mal raus hat. Außerdem habe ich z. B. neue Zutaten entdeckt, die ich vorher nie gegessen habe und es kann manchmal zu abenteuerlichen Gerichten kommen.
Neue Anschaffungen und Kontamination
Wenn ihr früher gerne Pfannkuchen, Brot oder Lasagne gemacht habt, habt ihr wahrscheinlich ein Schneidbrett aus Holz/Kunststoff genutzt, Kochlöffel, einen elektrischen Handrührer etc.
Diese Sachen sind nun leider kontaminiert. Gluten und Mehlbestandteile sind so fein, dass sie sich in die kleinsten Ritzen setzen und nicht wieder vollständig ausgespült werden können. Auch im Motorraum deines Handrührgeräts befinden sich Spuren vom aufgewirbeltem Mehl. Dieses kann nach erneutem benutzen dann in deinen vermeintlich glutenfreien Teig runterrieseln und ihn kontaminieren.
Daher gibt es einige Dinge, die man sich leider neu kaufen muss. Für den Anfang reicht ein neues Schneidbrett, das nur für glutenfreie Lebensmittel genutzt werden darf. Falls du eine beschichtete Pfanne mit kleinen Kratzern hast, empfehle ich auch diese zu ersetzen. Alles andere kann nach und nach neu gekauft werden. Edelstahltöpfe, Edelstahlbesteck, -kochlöffel etc. sind gut zu reinigen und müssen, ebenso wie Keramikteller, nicht ersetzt werden.
Für den Toaster, wenn ich denn mal glutenfreies Brot esse, nutze ich Toaster-Taschen. Das sind Teflonbeschichtete kleine Tüten, in die das Brot zum Toasten rein gelegt wird. Ansonsten habe ich persönlich bisher nur ein Schneidbrett, einen Stabmixer und eine neue Pfanne gekauft.
Obwohl wir viel kochen, auch vor der Zöliakie, haben wir nie unzählige Küchenmaschinen, Teigbereiter oder so gehabt. Daher reicht es für unseren Haushalt aus. Für deinen kann es ganz anders aussehen.
Deine “nackten” Lebensmittel solltest du, vor allem in einem gemischten Haushalt, niemals auf die Arbeitsplatte legen. Hier befinden sich Krümel von Mitbewohnern, Kindern und Familienmitglieder, die nicht aufpassen oder es vergessen. Nehme immer einen sauberen neuen Teller, um deine Lebensmittel abzulegen.
In der Küche wirst du dir früher oder später einen eigenen Bereich einrichten müssen. In einer kleinen Küche, wie es früher bei mir war, reicht auch eine Box mit deinen Sachen. Hier lagerst du z. B. deine glutenfreien Haferflocken, Nudeln, Aufstriche, Reis etc. Denn auch in den Schränken können sich Mehlstäube auf die Verpackungen deiner Lebensmittel sammeln und diese ggf. kontaminieren.
Ich habe hierfür einfach eine von den durchsichtigen Boxen von Ikea genommen, die einen passenden Deckel haben.
“Kann Spuren von Gluten enthalten”
Diese Aussage findet sich leider sehr häufig auf Produkten und lässt viele Zöliakiebetroffene das Lebensmittel direkt wieder wegstellen. Allerdings hat dieser Hinweis gar keine richtige Aussagekraft. Denn den Hinweis auf Spuren kann jeder Hersteller selbst auf sein Produkt schreiben, ohne zu prüfen, OB wirklich Spuren enthalten sind.
Damit wollen sich Hersteller rechtlich absichern. Es macht ein Produkt aber nicht sicherer, wenn der Hinweis nicht auf einem Produkt zu finden ist. Daher gilt: Ist in der Zutatenliste kein glutenhaltiges Lebensmittel enthalten (Weizen, Dinkel, Roggen, Kamut, Grünkern etc.), kann man das Produkt eigentlich essen. Ich jedenfalls mache es.
Wer Mitglied bei der DZG ist, kann sich auch den Beitrag der DZG dazu ansehen.
Es ist nicht temporär
Zöliakie bleibt für immer. Bisher gibt es keine Heilung oder ein Medikament, dass die Erkrankung unterdrückt.
Die glutenfreie Ernährung muss also für immer eingehalten werden. Auch bei Besserung der Symptome und Beschwerden, darf man keine Ausnahme machen. Das ist eine Tatsache, die man nicht schönreden kann.
Es hat auch Vorteile?
Es ist immer irgendwie doof, vorteilhaft über eine Erkrankung zu sprechen. Ich verstehe das. Aber man kann es mal probieren.
Dadurch, dass keine glutenhaltige Produkte mehr gegessen werden dürfen:
- Keine spontanen ungesunden Pizzen mehr
- Keine ungesunden Weißmehlprodukte mehr
- Man isst mehr Gemüse und Obst (was soll man sonst essen?! :D)
- Man isst mehr Hülsenfrüchte (gut für die Verdauung!)
- Wer nicht mehr auswärts isst, spart Geld
- Man weiß genau, was man isst (ich muss ja die Zutatenliste lesen und alles selbst kochen…)
- Deinem Körper geht es nach einiger Zeit wahrscheinlich ENDLICH besser!
Es sind nur ein paar Trostpflaster, aber ich merke wirklich, wie mehr Kraft in meinen Körper zurückkommt. Denn jahrelanger Eisenmangel machten mich teilweise arbeitsunfähig und endlich weiß ich, woher es kommt. Es kann also durchaus den ein oder anderen positiven Aspekt haben.
Du bist nicht alleine
Leider sind viele Menschen von Zöliakie betroffen. Man geht von etwa 1% der europäischen Bevölkerung aus. Das ist verdammt viel. Das bedeutet aber auch, dass du da nicht alleine durch musst. Neben den Austausch-Gruppen der DZG kannst du dich auch online mit anderen Menschen austauschen oder vielleicht kennst du jemand anderen aus deinem Bekanntenkreis, der Zöliakie hat?
Es ist wirklich schon fast eine Art “Erleichterung”, sich nicht immer für seine Essensvorgaben rechtfertigen zu müssen und mit jemandem zu quatschen, der einfach genau weiß, was Sache ist. Fass dir ein Herz und sprich andere “Zölis” an. Wir stehen das gemeinsam durch und unterstützen uns gegenseitig 🙂
Tipp zum Schluss
Obwohl ich es noch nicht durch habe, empfehle ich dir den “Grad der Behinderung” zu beantragen. Durch die Zöliakie entstehen Kosten (z. B. für die teuren Ersatzprodukte oder Arzneimittel). Dadurch darfst du einen bestimmten Betrag bei der Steuererklärung absetzen und deine Steuerlast wird etwas geringer. Es ist nicht viel, aber haben ist besser als brauchen.
Da ich meinen Antrag (der mehrere Monate bei der Behörde bearbeitet werden muss) noch nicht durch habe, kann ich hier noch keine Tipps oder eine Anleitung geben. Gehört habe ich davon auch von keinem einzigen Arzt oder meiner Ernährungsberaterin. Habe ich nur zufällig gelesen…
Ich berichte, wenn ich mehr weiß und poste das Update hier.
Update Januar 2024: Mein Antrag ist durch und ich bekomme den GdB von 20. Da bedeutet ich erhalte einen Steuerpauschbetrag von 384€ jährlich und darf diesen in meiner Steuererklärung angeben. Überraschenderweise hat der Antrag nur 4 Wochen gedauert, was wohl daran lag, dass ich bereits alle meine ärztlichen Unterlagen mit geschickt habe.
Hier findest du den Link zur Allgemeinen Beantragung. Deine Region musst du dort natürlich ändern, um auf die richtige Seite zu kommen. Alternativ (und besser) ist es, direkt online über deine Kommune oder Stadt den Antrag beim Sozialamt für Behinderung/Schwerbehinderung zu stellen.
Ich hoffe dir konnte dieser Beitrag ein klitzekleines bisschen helfen. Es wird viel Kraft und Umstellungs-Geduld brauchen. Ich habe das große, wahnsinnige Glück einen aufmerksamen und liebevollen Ehemann zu haben, der mit mir darauf achtet und mich unterstützt.
Und ich hoffe für dich, dass du auch jemanden in deinem Freunde- oder Familienkreis hast, der dich ernst nimmt und unterstützt! Zögere nicht, dir Hilfe beim DZG oder bei anderen “Zölis” zu holen.
Wir sitzen im gleichen Boot und halten zusammen 🙂
Bleib gesund und sicher
Bavai